Darum ‘Auschwitz’

Zum 7. Berliner Geschichtssalon am 22. 11. 51UK (5. 2. 1996XK)

Marx c/o PAF

Warum Auschwitz? fragt Gunnar Heinsohn mit dem Titel seines rororo-aktuell-Buches und unterstellt als Theorie für den Vorgang ein bekanntes und ein unbekanntes Motiv: Zum ersten, daß das Individuum Hitler der Initiant und Veranstalter des Holokaust gewesen sei und zum zweiten, daß der Führer zum Ermöglichen der Lebensraumeroberung mit der Judenvernichtung das dagegenstehende biblische fünfte Gebot – das Recht auf Leben – ausräumen wollte. Indes: Hitler die eigene 1986er Analyse über die Herkunft des Tötungsverbotes zu Füßen legend, vermehrt Heinsohn den Hitlermythos um eine niemals gegeben gewesene akademische Leistung. Damit wird dann gleich noch das Phänomen der vom Kollektiv veranstalteten Judenpogrome negiert und beiläufig der Mythos der Alleinschuld Hitlers untermauert.


Vor jetzt einem Jahrzehnt[1] lieferte Gunnar Heinsohn in Mo­notheismus und Antisemitis­mus auf immer unerklärbar?Das Erfinden und Wiederabschaffen der Opfer und der Götter[2] auf dem Erregungshinter­grund der trau­mati­sie­ren­den Welt­desaster eine zwar knappe, aber gleich­wohl kom­plette Analyse zur Erklärung der zwei Phänomene vor. Zwei Jahre danach erschien bei Eichborn noch – schon leicht gefeilt und nuancierter: Was ist Antisemitismus? – Der Ursprung von Mono­theismus und Juden­haß – Warum Antizio­nis­mus? (vergriffen).

„Ich möchte sowohl aus der jüdischen wie aus der christlich-theologi­schen Literatur den Nachweis bringen, daß es sich nicht darum handelt, daß das deutsche Volk verführt worden ist, die Juden auszurotten, und daß der Einfluß der Nationalsozialistischen Partei dahin gereicht hat, das deutsche Volk dahin zu bringen, daß es in einen solchen Judenhaß kommt, sondern daß wir hier vor irrationalen Verhältnissen stehen, und daß das in der jüdischen und in der christlichen Literatur anerkannt ist.“

Dr. Alfred Thoma, Verteidiger von Alfred Rosenberg im Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem internationalen Militärgerichtshof Nürnberg (Nürnberg 1947) Bd. IX S. 776 (m/Hervorhe­bung).

Heute[3] sehe ich – vorgewarnt allerdings durch das Bremener Frühjahrsreferat von 1994 – Heinsohn’s fundamentale Leistung mit der von Rowohlt verlegten Frage-&-Antwort-Schrift: Warum Auschwitz – Hitlers Plan und die Ratlosigkeit der Nachwelt alle bis­herigen Einsich­ten von Velikovsky, Rix, mir und ihm – Heinsohn – selbst über die Rolle des zwangsneurotisch handelnden Kollektivs wie von einer eisig kalten Dusche weggewaschen. Jetzt wird dem vulgären Rüpel AH!, der sich zwar dog­matische Unterstel­lungen zu eigen machen & mit „a Gosch’n“ (Dexler) son­derglei­chen dem Kollektiv in ebensolchem Stil nach dem Maul zu reden verstand, die Analyse von 1986 quasi auf den intellektuellen Gabentisch gelegt und damit bekundet, des Führers Genie habe spätestens rechtzeitig zur Lebensraumtheorie aus dieser Einsicht heraus das jüdische – übrigens auch nur bedingte[4] – Lebensgebot mittels ‘Auschwitz’ tilgen wollen. Aber, nach unserer Analyse der Holo­kaustursa­che nunmehr von „Hitlers[5] totaler Ju­denaus­rottung“ zu reden, verwirft im End­effekt nicht allein alle Einsich­ten aus der Rekonstruktion der Menschheits- & Naturge­schich­te (RMNG) in Bezug auf irrationales Verhalten des Kollektivs, wie es sich in der zwang­haften Wiederholung des Menschen­opfers äußert; auf überaus fatale Weise, doch ebenso beacht­lich denk­wür­dig wird nun vielmehr auch der AH!-Mythos nicht nur um einen akademischen Riesen erweitert, sondern ihm simultan damit auch die eigent­liche Alleinschuld und sogar intellektuelle Alleinleistung untergeschoben.

Deshalb ist Hein­sohn's ‘Au­schwitz’-Warum? mit dem ‘Auschwitz’-Darum! aus RMNG-Sicht zu kon­frontieren: –

1.    Es ist hier nicht zu betonen, daß das Pogrom gegen die Juden – jeweils mehr oder weniger nur beiläufig motiviert durch jeden nur denkbaren Aufhänger mit Ausnahme des im Kollektiv unbewußt latenten neuem laut RMNG-Analyse – schon immer verständigem Denken unzugänglich war. Beispiel ?–: Vor gerade etwa hundert Jahren hatte der Antisemitismus angesichts der jahrhundertwendlichen Endzeiterwartungen in „höch­sten Krei­­sen“ Deutschlands wieder schönste Blüten getrieben, indem Kaiser Wil­helm II die Etablierung eines jüdischen Staates in Palästina in der hintergründigen Absicht zu fördern trachtete, daß dies nicht nur von alleine die Juden aus Deutschland abziehen würde, sondern daß jene Nation und deren Führer, welche dem wieder­kommenden Messias die Juden auf den Altar dortselbst zur Opferung geliefert hätten, kla­rerweise beim Herrn Jesus in besonderer Gunst stünden.[6]

2.    Damals fehlte zum Pogrom nur noch die Angst: Sie überfiel uns – gleichsam wie jene von 1348ff vor dem Schwarzen Tod – 1917ff als Sowjet“pest“, wiederum aus Osten kommend und abermals vorgeblich verschuldet von den Juden: dannzumal waren sie Brunnen‑, heutzumal Gesellschaftsvergifter. Und das war ja nun in Wirklichkeit der von allen Quellen bezeugte authentische Glaube des Adolf Hitler, von Goebbels auch propagandistisch an vorderster Stelle namens seiner Gottheit pausenlos breit­geschlagen[7]. Zugleich war diese Angst auch das Gemeinsame mit den anderen Völkern des Westens und vor allem natürlich mit der Kirche, mit Pacelli (einer Schlüsselfigur, die im Buch Heinsohn’s vergeblich gesucht wird), dem Nuntius in Berlin und jenem Fabrikanten – im Verein mit von Papen (gleichfalls nicht im Register) – des Konkordats, der schließlich als Papst Pius XII die U. S. A. noch 1948 zum Atomholokaust gegen die Sow­jetunion aufforderte, nach­dem seine deutsch­stämmigen Opferknechte bei der Weihung Ruß­lands an seine Madonna versagt hatten und ihn die – unzufrieden gewordene – Himmelsköni­gin (zu der er „in heißer Liebe entbrannt“ lebte) in dreimaliger Wie­derholung persönlich zu solcher „Weihung“ verpflichtet hatte (mehr bei Zvi Rix).

3.    Nach Abschluß des Konkordats am 20. Juli 1933[8] begann denn auch prompt die Judenverfolgung, bald von den Nürnbergergesetzen auch profan gefördert. Doch sollten die Juden das Reich nur verlassen: an ihre Ganzbrandopferung – oder gar Vernichtung zwecks Tilgung RMNG’scher Opferverwei­gerung! – dachte da niemand. Allerdings umfaßte ein Pogrom noch immer jeweils alle greifbaren Opfer, und mit den modernen Struk­turen, die der herrschenden Macht nun einmal zur Verfügung standen, ergaben sich so ganz automa­tisch eben auch im Verhältnis zu früheren derartigen Veranstaltungen weder geringere noch größere Dimen­sionen: 1348ff also dürfte von den greifbaren Juden dieselbe Prozentzahl umgekommen sein wie 1941ff.

4.    Doch die Anstrengungen zur Ju­denvertreibung, sogar in ihr eigenes Land nach Israel, mißlangen. Sie schei­ter­ten an der fehlenden Aufnahmebe­reit­schaft der anderen Nationen, der schau­lustvollen Beiseitestehenden, denen die Isolierung der Fascesträger, mit der schweizerischen Erfin­dung des J-Paßeintrages ebenso effi­zient wie kostengün­stig – aber zugleich auch bloßstellend & verant­wor­tungs­über­tra­gend – noch besonders erleichtert wurde. Als weniger effi­zient erwies sich dann allerdings die Reichs­­verwaltung, denn woher sollten dann in höch­ster Zeit­not noch Menschen­vernich­tungs­spezialisten herbeigeschafft werden? Nichtmal unter schärfsten Kriegs­bedin­gungen war über die effiziente Fließ­bandpro­duk­tion des Kübel­wagens zu klagen; aber welcher Technopark hätte noch Innovation, Konstruk­tion & Lieferung strapa­zierfähiger Durchlauf­verbrenner mit Beschi­ckungs- & Ent­sor­gungs­peripherie bereit­stel­len können? Da mahnt es an Gefallsucht, mit Auschwitz als ‘hoch­modernem Industriekom­plex’ oder mit dem ‘Tod als Meister aus Deutschland’ auf­zuschnei­den: die Vernich­tungs­­lager waren vielmehr eine dilettantische und ja auch mit medio­kerstem Personal besetzte Operation, die es eigentlich schon aus die­sem Grunde geheim[9] zu halten galt. Dem vom Hohen­prištar[10] zu Rom imaginiertem und zu Ehren der nahe bei Auschwitz harrenden Schwar­zen Ma­don­na (Czechstochowa) feierlich errichteten Ganzbrandopferaltar entspra­chen die paar militärisch reih-&-gliedisch aufgezo­genen Back­stein­öfen ästhetisch wohl ganz gewiß nicht.

5.    Gemaßregelt wurde das Vernichtungs- durch das – zumal in Deutsch­land besonders „tumulti­ne“[11] – Führer­system, das bekanntlich von in­dividueller Verant­wortlich­keit befreit, sofern sich eine Tat unter den – als bekannt oder inhärent vorausgesetzten – Führerwil­len subsu­mie­ren läßt; einem Willen überdies, der direkt aus dem Kollektiv heraus formuliert wird. Daß in diesem Willen nun aber die Tilgung eines obskuren, kaum akademisch interessierenden Opferverweige­rungsrech­tes enthalten gewesen sei, dessen Ausmerzung außerdem nur indirekt die Geltendmachung von Lebensraum schützen sollte, ist schlichtweg auszuschließen.

Der neuen Erklärung vorausgehend listet das Buch auf über­sichtliche und interessante Weise 42 ‘Auschwitz’-Theorien auf. Im ein­zel­nen darauf einzugehen ist hier weder Platz noch Not. In einer davon aber, der Nr. 8 über die „Ewi­ge Unerklärbarkeit von Auschwitz“, drängt sich des Autors Meinung zum Vergleich des Holokaust mit politisch motivierten Geno­zidak­tionen anderer Nationen in dem Sin­ne vor, als der neueren Tendenz zur Gleichsetzung von Judenpogrom mit Völkermord gefolgt wird. Aus RMNG-Sicht ist dieser Neigung entge­genzuhalten, daß es sich bei ‘Auschwitz’ um den dem Judenpogrom traditionell zugehörigen Scheiterhaufen zum Vollzug eben des ‘Ganz­brandopfers’, zur völligen Vernichtung also, resp. zur Wandlung des Opfers in den der Gottheit gefälli­gen Rauch und Geruch handelt. Dem­nach wird mit der ‘Holokaust=Genozid’-Gleichung Ver­tu­schungsarbeit geleistet, in welcher die kollektive Zwangsneurose mit ihrem gesamten Er­re­gungs­hin­ter­grund (der traumati­sier­ten Des­aster) schlicht aus Akten und Trak­tanden verabschiedet wird. Die unmögliche Gleichsetzung von irrationalem Holokaust zur Men­schen­vernichtung auf religiö­sem Erregungshintergrund mit „rationalem“ politisch motivierten Genozid als Machtsicherung ist nicht dadurch zu rechtfertigen, daß beide gleich verwerflich und unentschuldbar sind; dies erscheint allein schon deshalb unhaltbar, weil niemals dieselben Mittel Abhilfe schaf­fen werden. Der Vergleich wird schließ­lich aber auch damit nicht besser, daß unglaubwürdige Zahlen ‘Auschwitz’ verniedlichen sollen: so werden den Sowjets 60 Millionen Tote angelastet, aber wie groß war die Bevölkerung 1917? 120 Millionen? 30/40 Jahre später, 1947/57, 180 Milli­onen? (Der GUS werden heute 150 zugeschrieben.) Da hätte also jeder 2. seinen 1. Näch­sten hingerichtet und müßte mit seiner protegierten Nächstin dann dop­pelt so viel Nachwuchs zwecks Bestandesauffüllung mit 100 % Plan­sollüber­erfüllung produziert haben?

Vorstehende Kritik findet seit kurzem ein­drucksvolle und anschauliche Bestätigung im vor kurzem bei S. Fischer veröffentlichten Buch von Götz Aly: »Endlösung« – Völker­verschiebung und der Mord an den europäischen Juden (Frankfurt/M 1995).

·       Wenn natürlich auch ohne meine Polemik wird S. 95 zur behaupteten „dilettanti­schen Operation“ (s. 4.) bestätigt: „Was für die Opfer als grau­enhafte Effizienz der Todesbürokratie erscheinen muß, sah in den Augen der Täter ganz anders aus: Aus der zeitgenössischen Sicht der Deportateure stellt sich dieselbe Geschich­te als eine ununterbrochene Folge von Niederlagen dar, als Unfähigkeit, die einmal gesteckten Zie­le auch nur annähernd zu erreichen. […] Die Tätigkeit Himmlers, Heydrichs und Eichmanns kann insoweit als Chronologie des Scheiterns geschrieben werden.“ Dies allein schon schließt eine insgeheime, planmäßige – geschwei­ge denn durch­geistigt-akademische – Absicht zur Judenvernichtung aus.

·       Es bedurfte aber auch deshalb keiner solchen Absicht Hitlers, weil in folgender Argumentationskette (unabhängig von Alys eigener Meinung) das Pogrom als einzig zureichender Grund für die Judenvernichtung klar aufscheint (S. 371ff, m/Her­vor­hebung): „Die Erfahrung der »Aktion T4« [Euthanasie] blieb für die späteren Orga­ni­satoren der »Endlösung der Judenfrage« grundlegend“. Jene wiederum ist gestützt durch einen Hinweis in einem Gutachten über die Euthanasie für Hitler seines Leibarztes Morell: „»Meh­re­re Eltern bringen zum Ausdruck: ‘Hätten Sie es nur gemacht und gesagt, daß unser Kind an einer Krankheit gestorben sei’. Das könnte man hier berücksichtigen. Man darf nicht denken, daß man eine heilsame Methode ohne das Placet des Souveräns Volk ausführen könnte.« Solche Gründe waren es, die Hitler dazu bewogen, ein »amtsgeheimes« Vorgehen zu bevorzugen […] Diese Form der »Ge­hei­men Reichssache«, die doch öffentlich war, kann als Offerte an die Deutschen im allgemeinen und an die indirekt Beteiligten im besonderen begriffen werden, sich persönlich aus der Verantwortung zu stehlen und eine uneingestandene, das Gewissen nicht belastende, passive Komplizenschaft einzugehen.“ Aly benennt sie zwar nicht, diese „in­di­rekt Beteiligten im besonderen“, aber natürlich sind es unsere J-Markierer.

·       Sehr deutlich bestätigt wird die Kritik an der Existenz eines partikularen und übergeordneten, ja gänzlich äthe­rischen Motivs Hitlers, wie Heinsohn es einführen will, sodann mit diesem: „Auch in der Selbstwahrnehmung der Täter unterschieden sich die ursprüng­lich gewollten »terri­to­rialen Lösungen der Judenfrage« noch deutlich von der (spä­te­stens) seit März 1941 zunächst in Form der Massendeportationen »nach Osten« geplanten und später in den Vernichtungslagern realisierten Form der »Endlösung«.

Zu den Tätern gehört ja zweifellos auch Hitler selbst und Götz Aly vermag sehr wohl zu zeigen, wie ursprünglich die territoriale Ausgrenzung der Juden immer das Ziel war: so gibt der Autor eine unser Vor­stellungsvermögen außerordentlich gut unterstützende differenzierte Darstellung der Vorgänge, die nach der Judenverfol­gung erst im Herbst 1941 – nach dem Mißerfolg des Rußlandblitzkrieges und damit der Völkerverschiebungspläne! – infolge der Verwaltungsnotlage zur industriellen Judenvernich­tung überleiteten –:– laut RMNG beides im Angesicht der Welt zelebrierbar als antisemitisches Pogrom.[12]

Allerdings wird damit das Pogrom nun geradezu als Bestandteil der Völkerverschiebung und nicht mehr als ein davon isolierter Vorgang aufgefaßt, und auch das Selbst­verständnis der Täter gibt darüber noch keine Auskunft. Zwar sehen wir die Juden quasi im Huckepack dem Völkerverschiebungsverkehr aufgebürdet, aber ihr Pogrom beginnt unter den Nationalsozialisten ja schon 1933, als ihre Existenzgrundlagen – Wohnung und Arbeit – noch keineswegs an die Heim-ins-Reichler abzutreten waren. Insbesondere fehlen Aly – bei Heinsohn suchen wir sie heute vergeblich, weil er sie ad acta gelegt hat und dem Führer nur eine einzige zugutehält – die Triebfedern, die Motive der Täter aus dem kulturellen Umfeld, dem kollektiven Erregungshin­tergrund.

Dazu ist – wenigstens rudimentär – an Traditionen der „territo­rialen“ Judenlösung, wie auf die schon oben angespielte kaiserliche[13] (auch Zar Nikolaus II war interessiert) zu erinnern, die schon zu einer Zeit im Schwange war als Hitler in Wien bald seine Wanzen umsiedelte. Schon damals wurde ja die Judenaussiedlung mit echter Holokaust-„Endlösung“ ins Auge gefaßt, als unmittelbarer Dienst an – und sogar direktes Geschäft mit! – der Gottheit, indem die Juden c. i. f. zur Opferung auf den Jerusalemer Altar geliefert werden sollten. Es wird vollkommen klar, daß bei allen Akteuren ein kulturell-religiöses Selbstverständnis ausschlaggebend, d. h. motivierend ist.[14]

Das religiös motivierte antisemitische Pogrom hebt sich denn auch von der rassistisch motivierten Völkerverschiebung entschieden ab. Wo die Verschiebung der Juden in deren Opferung an die Gottheit übergeht (was zwar als „Ver­nichtung“ endet, nicht aber Sinn und Zweck – der Vertrag mit der Gottheit also – des Holokaust, des „Ganzbrandopfers“ ist), muß nach dem religiösen Erregungshintergrund, nach der daraus abgeleiteten Selbstwahrnehmung und Rechtfertigung gesucht werden. Das Opfern ist, zumal das Menschenopfern, das Geschäft des Hohenpriesters, des Pontifex maximus, der die Vollstreckung, das Töten an sich, seinen lictores curiatii befiehlt – „Dienern der Kurie“ also, aber ebenso der Flamines und der Vestalinnen (den zum Opfern bereitgehaltenen Jungfrauen). Sie werden auch Fascesträger genannt, und zwar infolge der von ihnen als Zeichen der Macht über Leben und Tod und der Strafvollstreckung – insbesondere führten sie auch Geißelungen aus – dem Priester oder auch anderen Magistraten vorangetragenen Fasces, den Rutenbündeln mit dem Richtbeil, die für den Faschismus namengebend und auch das eigentliche Wappen und Symbol der italienischen Faschisten waren. Als Erregungshintergrund im Rahmen der RMNG hat Zvi Rix[15] die mannigfachen Zusammenhänge des Fasces mit der „bärtigen Ištar“, resp. der „Ištar mit der Axt“ und dem früheren Rutenstern Inanna-Ištar aufgezeigt; die Zusammenhänge mit der jungen Venus also, als sie die Erde noch als Komet, als Rutenstern bedrohte.

Als Heinsohn zeigte, daß Antisemitismus die Bewältigung der Angst vor den der Gottheit das Opfer Verweigernden ist, die dann in der Opferung der Verweigerer an die Gottheit gipfelt, war die von Rix und Velikovsky aufgegriffene Erklärung des Erregungshintergrundes für das Holokaust der Juden gefunden. Das Ritual der „Endlösung“ und die primären Quellen des Antriebs dazu sind also nicht im profanen, sondern vielmehr im sakralen Bereich zu hinterfragen, nur symptomatisch aufgegriffen z. B. bei Karl­heinz Deschner[16]: –

„Der Reichsführer der SS Heinrich Himmler (laut Walter Schellen­berg, dem Chef des deutschen Geheimdienstes, Besitzer und eifriger Benutzer der größten Privatbibliothek über den Jesuitenorden) suchte seine Organisation nach jesuitischen Ordensprinzipien zu prägen. In die westfäli­sche Wevelsburg, zur »Ordensburg« ausgebaut, berief er jährlich sein »Ordens­kapitel« und ließ »Exerzitien« machen. Daß die SS primitv-brutal, die Societas Jesu, durch viele Jahrhunderte geschult, raffinierter operierte, ist in diesem Zusammenhang von sekundärem Belang.“

Oder Hans Frank, der Chef des Generalgouvernements, millionenfacher Mörder, der, „als er das Fiasko nahen sah, zum Katholizismus übertrat“ und dessen Begnadigung Pius XII später verlangte: „Deutschlands Dienst ist Gottesdienst… Wir sind in Wahrheit Gottes Werkzeug zur Vernichtung des Schlechten. Wir streiten in Gottes Namen gegen den Juden und seinen Bolschewismus. Gott schütze uns!“ (a. a. O. 403).

Erinnern wir uns des oben bei Goebbels ausgemachten Dogmas, wonach der Führer eine Inkarna­tion Gottes sei, so kann um so klarer bei den Holokaustern von einer „Societas Hitler“ mit entsprechendem Selbst­ver­ständ­nis gesprochen werden und davon ausgehend könnte – wiederum nur beispielhaft herausgegriffen – erforscht werden: Wie etwa wirkte Franz von Papen aus der Türkei (mit reicher Schlächtererfahrung aus Armenien); der Stifter des Faschistenkonkordats (mit dessen Abschluß 1933 – noch heute ist es geltendes Recht! – die Pogrom­aktivitäten begannen); dem Intimus und ab 1959 noch Kämmerer Pius’ XII; dem Kanzler, der Hitler an die Macht, dem Minister und Gesandten, der Österreich zur Strecke gebracht hatte; Jesuitenzögling (wie Schuschnigg übrigens des Internates „Stella Matutina“!); die wohl gefährlichste Graue Eminenz des 20. Jahrhunderts, schlau und durchschlagend hinter der Maske eines bedepperten Gentleman agierend? Unter allen Wegen, die nach Rom führen, ist also zunächst jener für die Holokaustveranstaltung zu ermitteln, der Weg zum Hohenpriester der Venus=Madonna. Aber wieder gibt es nicht den kleinsten Anlaß, das „‘Auschwitz’-Warum“ in der Ausmerzung eines Recht-auf-Leben-Anspruches (oder gar in des Führers Gelahrtheit) zu suchen.

Sosehr Heinsohn’s Theorie nun einen neuen Verdrängungsschub leisten und deshalb auf hellhörige Ohren treffen mag, so sehr fehlt ihr jede verständige Begründung: –

1.     Die faschistischen Führer wirkten mit ihren beschränkten, auf Vorlieben und Manien beruhenden Kenntnissen[17] sowie ihrer demagogischen Geschwätzigkeit niemals anders denn als Katalysator für das traditionelle Judenpogrom des Kollektivs.

2.     Die physische Vernichtung der Juden anstelle ihrer Austreibung wurde erst und einzig ab 1941 durch ihre völlige Ausgrenzung motiviert – lange nach Hitlers vorgeblicher Tötungsverbotsanalyse.

3.     Heinsohn’s These liefert keine Erklärung für frühere Pogrome (die auch nicht ohne ihre „Führer“ waren); die Analyse für diese früheren Judenverbrennungen bedürfen aber keiner Ergänzung für die faschistische Variante.

4.     Abgesehen davon, daß niemals der Bedarf bestand, alle Juden zwecks Tilgung ihres Opferverbotes umzubringen, wäre dies letztlich, da sie sich nicht allesamt im faschistischen Zugriffsbereich befanden, ja auch gar nicht möglich gewesen.

Mithin bleibt das Desideratum, zukünftige Analysen möchten sich auf den Erregungs­hintergrund, auf die Mechanismen der Ver­drängungs­lei­stung und vor allem auf die noch kaum verstandenen Interaktionen zwischen Kollektiv und Individuum konzentrieren.



[1]    Erstmals in der PAF Arbeitskopie vom 7. April 1986 als „Abriß der demnächst erscheinenden Studie Menschenopfer, Monotheismus, Apokalyptik, Judenhaß – Zur Überwindung von Kindestötung und Menschenopfer an Himmelskörper durch den Eingottglauben, den Sabbat und die Beschneidung bei den Juden, eine religionssoziologische Rekonstruktion.

[2]    Beiträge zur Rekonstruktion der Menschheits- & Natur­ge­schichte Nr. 14 (Basel 1987); eine kleine Anzahl Reprints ist zu 20,‑ DM von PAF verfügbar.

[3]    Ein erster Teil vorliegender Reaktion erschien in Zeitensprünge 2/1995.

[4]    Das Recht auf Leben ist zunächst aus der Verweigerung des Menschenopfers an eine transzendente, rational nicht erfahr­bare Gottheit hergeleitet: m. a. W., es wird nicht ausgeschlossen, daß, wenn die Gottheit sich einmal manifestieren und die Forderung nach dem Menschenopfer dann wieder neu stellen sollte, die Befehlsverweigerung nichtig wäre. Infolge dieses imma­nen­ten Vorbehaltes ist das Recht auf Leben (des Individu­ums gegenüber dem Kollektiv) noch keineswegs so gut begründet, wie die Schwierig­kei­ten etwa mit China auch zeigen. Um also dieses Recht auf Leben verständig zu begrün­den und politisch durchzusetzen, bedarf es noch besserer Argumente; s. dazu das Programm zur «PdR» Partei der Rekonstruktion (Basel 1995).

[5]    Unterstreichungen als Hervorhebung immer von mir.

[6]    Hermann Ellern (Ed.) Herzl, Hechler, The Grand Duke of Baden, and the German Emperor – Documents found by Hermann and Bessi Ellern (Tel Aviv 1961); Herzl machte sich diese Unterstützung ohne Rücksicht auf deren Motivierung zunutze. — Diese schön produzierte Sammlung von Faksimiles persönlicher, handschriftlicher Korrespondenzen ist ein ebenso eigen- wie einzigartiges Dokument, das gelegentlich der Transliteration und genaueren Erforschung bedürfte (50,- DM beim PAF Verlag CH - 4002 Basel).

[7]    Herausgepickt aus Josef Greiner Das Ende des Hitler-Mythos (Wien 1947): «Dr. Goebbels begrüßte mich herzlich, erklärte jedoch, daß meine Biographie über Adolf Hitler aus dem Grun­de gänzlich unbrauchbar sei, da in ihr der ausdrückliche Hinweis darauf fehle, daß der Führer, der eine Inkarna­tion Gottes sei, schon in frühester Jugend seine göttliche Sendung auffallend geoffenbart habe. […] Schließlich machte ich ihm Mitteilung über Hitlers Lehrtätigkeit bei einer alten polnischen Jüdin, in deren Bett er Wanzen umsiedelte, be­richtete ihm ferner von seinen Missetaten in Kaffeehäusern, in denen er mit roter Tinte gefüllte Fischblasen unter den Sitz von Jüdinnen praktizier­te, und von anderen Dingen mehr. Goebbels war von Hitlers antisemitischen Jugendstrei­chen geradezu entzückt und sah darin einen wertvollen Anhaltspunkt für seinen gött­li­chen Auftrag, die Welt von den Juden zu erlösen. […] Göring meinte auch bei dieser Gelegenheit, daß es hoch an der Zeit wäre, dem Judenwirbel, den Goebbels immer wieder von neuem inszenie­re, im Interesse der deutschen Wirtschaft ehestens ein Ende zu bereiten.»… Solchen Leuten aber akademische Geistesqualitäten zur langfristig geplan­ten Juden­ausrot­tung aufgrund feiner Bibelexegese unterzuschieben ist uns nicht zumutbar.

[8]    Hitler an der Konkordatskonferenz: „Ich führe das Werk der katholischen Kirche fort, die Juden zu isolieren und ihren Einfluß zu bekämpfen“.

[9]    An sich widersprach doch Geheimhaltung Hitlers Dchinghis-Khan- und Pro­pa­ganda-Mentalität und widerspricht auch der in Heinsohn’s Buch noch einmal  dargestellten Totenkopfer­klärung: nämlich durch „rück­sichtslose“, „unbarm­herzige“ (usw. usf.) Grausam­keit den Gegnern Angst & Schrecken abzufordern.

[10]   Es sei darauf hingewiesen, daß die einschlägigen, Stärke und Gefahr ausdrückenden Etyms unbewußt immer die alte Venusgottheit Ištar beschwören.

[11]   Charakterisierung des Führerstaates (s. bei Greiner 253f).

[12]   „Die Motivierung unserer Schritte vor der Welt müsse sich nach taktischen Gesichtspunkten richten. Alle notwendigen Maßnahmen – Erschießen, Aussiedeln etc. – tun wir trotzdem und können wir trotzdem tun“, so Hitler laut Protokoll, das er am 22. Juli 1941 mit General Slavko Kvaternik (dem Chef des Unabhängigen Staates Kroatien) führte (bei Aly S. 395). Wenn es also eh getan werden kann: warum als Ziel die Desavouierung von Abrahams Opferverweigerung?

[13]   Herzl, Hechler, The Grand Duke of Baden, and The German Emperor

[14]   Konzis dargestellt von Dagobert D. Runes in Die Wurzel der Judenverfolgungen (Darmstadt 1981), d. i. The War against the Jews (New York 1968)

[15]   Manuskripte bei PAF Verlag; die Arbeiten von Zvi Rix bedürften der Redaktion.

[16]   Karlheinz Deschner Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert II (Reinbek 1991) 137.

[17]   Es ist hier noch auf das wichtige Buch von Wilfried Daim Der Mann, der Hitler die Ideen gab – Jörg Lanz von Liebenfels (Wien 1957, zuletzt 1994) zu verweisen.